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Business

Mein (Corona-)Jahr 2020

30/12/2020

2020 – wer hätte zu Beginn des Jahres gedacht, was dieses hübsche und unschuldige Wort- und Ziffernpaar alles für uns bereithalten würde. Ein ganzes Jahr, das für immer von einem Virus und seinen Auswirkungen auf unser alltägliches Leben geprägt sein wird… und die wir sogar auch noch ins neue Jahr “übertragen”. Doch 2020 war auch das Jahr von Black Lives Matter, Joe Biden, Wirecard und vielen anderen Schlagzeilen in den Medien. Für mich war 2020 persönlich und beruflich ein enorm spannendes, herausforderndes aber auch erfolgreiches Jahr, weshalb ich in diesem Blogbeitrag ein kleines Fazit ziehen und für mich festhalten möchte. Und vielleicht erkennst du dich ja in dem ein oder anderen Gedanken selbst auch wieder oder findest Inspiration zur Selbstreflektion..?

Ich bin generell ein sehr reflektierter Mensch und befinde mich quasi in einer 24/7 Retrospektive des Geschehenen. Um dabei nicht den Überblick bzw. Verstand zu verlieren helfen mir Listen und Notizen, die ich sowohl auf dem iPhone als auch auf dem MacBook fortlaufend ergänze. Auf diese Weise kann ich meine Erfahrungen besser verarbeiten, einsortieren aber auch abschließen. Traditionell trage ich dann in der letzten Woche des Jahres alle Highlights/Lowlights/Learnings usw. des gesamten Jahres zusammen, um darauf basierend Richtungen und Ziele für das neue Jahr zu setzen. Dieser Rückblick ist für mich (privat und beruflich!) enorm wichtig, weil ich davon überzeugt bin, dass in jeder guten als auch schlechten Erfahrung eine Möglichkeit des Wachstums steckt.

Manchmal sind die Dinge, die wir nicht ändern können, genau die Dinge, die uns ändern.

Wie habe ich 2020 erlebt?

Zu Beginn des Jahres und nach dem alljährlichen “Business-Auftakt” auf der CreativeWorld Fachmesse in Frankfurt hatten mein Team und ich die Weichen für das Frau Hölle Studio erstmal gestellt. Die Workshop-Saison 2020 war geplant und wir starteten frohen Mutes und voller Motivation mit unserer Roadmap und den ersten Projekten! Doch nach einem Lettering, einem Watercolor und zwei DIY Workshops stand fest: das war’s erstmal mit Gästen in unserem Studio. Am 12.03. fand der bisher letzte Live-Workshop von mir statt und beim Gedanken daran steigen mir Tränen in die Augen… Seitdem ist nichts wie es mal war – aber der Reihe nach!

Mitte März wurde ganz Deutschland in den 1. Lockdown versetzt, Ausgangssperren verhängt und als direkte Folge davon auch im Frau Hölle Studio Home Office für Elvine und mich und Einzelschichten für das Lager- und Verpackungsteam angeordnet. Unsere wöchentlichen MMMs (Monday Morning Meetups) und Stand-Ups fanden ab sofort nur noch virtuell als Google Meet statt.

Quasi über Nacht wurde uns unsere Haupteinnahmequelle und die eigentliche Mission meines Unternehmens genommen: gemeinsam mit anderen Menschen in unserem Studio in München kreativ zu sein und “Mut zum Machen” weiterzugeben.

Schockstarre vs. Tatendrang

Ich glaube meine erste Reaktion auf die Verkündung des Lockdowns und der damit einhergehenden Einschränkungen meines Daily Business war

WTF?!!!11eins

Aber in demselben Maße, wie ich von jetzt auf gleich um mein Unternehmen, meine Mitarbeiter, meinen Fortbestand bangte, entwickelte sich eine unglaubliche Energiewelle in mir. Ich war schier getrieben von meiner Leidenschaft, meinem Unternehmergeist und meinem Herz für User Experience und Produktmanagement! Noch in derselben Nacht habe ich lose Ideen gesammelt und am nächsten Tag mit Elvine diskutiert – und binnen 48 Stunden war am 16.03.2020 unser “Corona Business-Maßnahmen-Paket” geschnürt und ans gesamte Team weitergegeben! Ursprüngliche Kernbausteine für 2020 wurden auf den Parkplatz verschoben (Workshop-Ausbau, Studio-Buchungen, “Creative Space” Kreativabende vor Ort, …) und dafür kurz- und mittelfristige Maßnahmen für den Erhalt unseres Umsatzes verabschiedet:

  1. Reaktivierung alter, bestehender Produkte zum Einstieg in die Kreativität > -20% Rabatt auf digitale Guides (16.-23.03.2021)
  2. Reaktivierung der #TheLetterLovers Lettering Challenge zur gemeinsamen Motivation untereinander > #TheLetterLovers Challenge April + Übungsblätter Guide + ProCreate Brush für digitale Bearbeitung
  3. Incentivierung von Shop-Bestellungen > Jahresplaner als Shop Goodie
  4. Wöchentliche, digitale Kreativ-Angebote:
    • #gemeinsameinsam Kreativ-Livestream jeden Freitag Abend
    • #lettertogether Livestream gemeinsam mit einem Künstler jeden Dienstag Abend 1 Quote – 2 Designs)
    • Vorstellung eines Onlineshop-Produkts (“Product Of The Week”) im Newsletter
    • Vorstellung eines Small Business/Partner (“Shop Of The Week”)
  5. Kaffeekasse als freiwillige Spendenmöglichkeit für gratis Kreativ-Angebote (2-10 EUR)
  6. Relaunch des stiefmütterlichen Newsletters > Frau Hölle VIP Club jeden Samstag Morgen
  7. Übersicht aller Livestreams (inkl. Werbung für unsere eigenen Angebote/Produkte)
  8. Sponsored Livestreams für andere Partner/Kunden > STABILO, #DisneyLiveLettering
  9. Fortlaufende Aufnahme neuer Produkte in den Onlineshop
  10. Ausbau der “Frau Hölle Welt” > Entwicklung weiterer Partnerprodukte

Mein Ziel war es, die Corona-Quarantäne und Abgeschiedenheit zuhause mit (gemeinsamer) Kreativität zu bekämpfen und dafür vielfältige, digitale Angebote zu erschaffen, mit Künstlerkollegen/Partnern zusammenzuarbeiten und neue Produkte im Onlineshop anzubieten. Meine Plattformen/Produkte sollten eine Möglichkeit zum Austausch und zur Vernetzung untereinander bieten und gleichzeitig unsere eigene Community weiter ausbauen.

Home, sweet home?

Wie so viele war selbstverständlich aber auch ich völlig unerwartet mit der Situation konfrontiert, 24/7 mit Kleinkind, Business und in Vollzeit angestelltem Ehemann zuhause in ein und derselben Umgebung leben und arbeiten zu müssen. Hier hat es einige Zeit gedauert, bis wir den für uns als Familie besten Weg gefunden und (unter größten Anstrengungen!) verfolgt haben. Tageweise abwechselnd wurden dann von Montag bis Freitag der “Premium-Arbeitsplatz” (am Esstisch im Wohnzimmer) und der “Betreuungs-Arbeitsplatz” (im Kinderzimmer von Ben) gewechselt, Mittagessen gekocht/bestellt, der Haushalt geführt, das nahezu Unmögliche irgendwie möglich gemacht und dabei vor allem viel miteinander geredet, uns gegenseitig aufgemuntert und gelacht, um für jedes Problem eine kreative Lösung zu finden. Die Zeit war für uns alle sehr hart und kräftezehrend aber dennoch eine “positive Lektion” für uns als Familie.

Sonntag Morgen ging es im Lockdown regelmäßig raus in die (einsame) Natur

Das neue “Normal”

So vergingen Woche um Woche und Monat um Monat – im “neuen, normalen Alltag”. Unsere Maßnahmen zeigten schnell Wirkung und wir konnten die Umsatzeinbrüche durch alle Workshop-Absagen und -Rückbuchungen glücklicherweise mit Shop-Umsätzen aufwiegen. Der Beginn der Corontäne (April) war sogar unser erfolgreichster Monat 2020 – abgesehen vom Launch der Frau Hölle Academy im Oktober (als weiteres, digitales Projekt/Standbein) und dem Black Weekend Sale im November! Für das Frau Hölle Studio und viele weitere Unternehmen war Corona also fast so etwas wie ein Katalysator und Anstoß zum nachhaltig erfolgreiche(re)n Businessmodell. Natürlich war Corona für ebenso viele Unternehmen ohne jegliche Möglichkeit der Digitalisierung der Todesstoß – und wirft damit für immer einen tragischen Schatten auf das Jahr 2020.

…und dann?

Überraschenderweise erlebte ich auch unter meinen KünstlerkollegInnen zu Beginn des Corona Lockdowns eine riesige Welle der Empathie, gegenseitigen Unterstützung und Solidarität untereinander. Plötzlich wurden Konkurrenten zu “Kollegen auf Augenhöhe”, viele nahmen das Angebot der Eintragung ihrer eigenen Livestream-Angebote in meinen Onlinekalender wahr und verlinkten sich auf Social Media untereinander. Das hat mich zutiefst bewegt, wenngleich die schrittweisen “Adaptionen meiner Corona Business-Strategie” (Livestream-Serien, Live Online-Workshops, Kaffeekasse, Guides, usw.) natürlich nicht bei mir unbemerkt blieben. Kurze Zeit darauf war die Harmonie dann auch schon wieder vorüber und es entfachten die ersten Diskussionen darüber, ob gratis Livestream-Angebote das Einkommensmodell anderer Künstler kaputt machten, Kaffeekassen ein legitimer Spendenaufruf wären usw. usw. usw. Mit anderen Worten: (leider) der alte Umgang miteinander, das Missgönnen von Erfolg/Reichweite und das vorwurfsvolle Schielen auf neue Produkte, die vermeintliche Copy Cats, unlauterer Wettbewerb o.Ä. sind. Und genau das bestätigt auch meinen Eindruck vom allgemeinen, menschlichen Umgang miteinander nach dem Lockdown: Egoismus, Ignoranz, fehlende Empathie, Grundskepsis und ein rauer Umgangston sind an der Tagesordnung. Es scheint fast so, als habe man “soziale Interaktion und Respekt” verlernt – wobei im WWW und auf Social Media auch schon vor Corona immer mehr Anstand verloren ging.

Die Künstlerszene im Corona-Jahr

Ich möchte in diesem Beitrag auch meinen persönlichen Eindruck der Entwicklung der Künstlerszene in diesem Jahr festhalten – weil ich a) sie erschreckend finde, b) weiß, dass viele von euch genauso empfinden aber es nicht öffentlich aussprechen und c) ich genau deshalb dafür sensibilisieren möchte. Die nachfolgende Aufzählung basiert auf meinen eigenen Erfahrungen:

  • KünstlerInnen haben sich mehr und mehr in Gangs, Clubs und Allianzen vereint, die sich auf Social Media nur untereinander empfehlen, verlinken und unterstützen.
  • Diese Clubs werden auch gemeinschaftlich bei Shit Storms aktiv.
  • Auge um Auge – Zahn um Zahn. Immer mehr scheint das Prinzip zu gelten “Wer mich nicht bewirbt, den bewerbe ich auch nicht” – und größere/erfolgreichere Accounts ohnehin nicht.
  • Produkte, Texte, Fotos werden 1:1 voneinander kopiert – ein Credit für die “Inspiration/Idee” wird nicht gegeben und stattdessen wird blockiert bzw. ignoriert.
  • Kleine Accounts hoffen durch regelmäßige Verlinkungen anderer KünstlerInnen/KollegInnen auf einen Push der eigenen Inhalte.
  • Marken/Partner suchen sich die besten und erfolgreichsten Ideen zusammen und engagieren beliebige Künstler dafür.

Ergänzung: Die (deutsche) Lettering- und Watercolor-Szene besteht maßgeblich aus weiblichen Künstlerinnen, was in meinen Augen der Grund für viele der o.g. Punkte ist. Ich vermisse nach mittlerweile über 5 Jahren in der “Szene” den Austausch mit männlichen Kollegen, den eigenen Innovationsgeist, echtes Unternehmerturm (nicht nur den prüfenden Blick nach links/rechts) und vor allen Dingen einen respektvollen Umgang miteinander auf Augenhöhe.

Das Lästern und teilweise sehr subtile Mobbing untereinander haben für mich ein solch trauriges Ausmaß angenommen, dass ich mich 2021 aus der “Szene” distanzieren und meinen eigenen Weg mit meiner eigenen Community weiterverfolgen werde. Diese Entscheidung finde ich sehr schade, aber alle kollegialen und professionellen Enttäuschungen in den letzten 12 Monaten haben leider dazu geführt, dass ich 2021 nur noch ausgewählte Kollegen/Ambassadors/Partner dabei miteinziehen werde.

Review 2020 – für mich

Für mich persönlich war 2020 geprägt durch

Lernen · Akzeptanz · Dankbarkeit · Verzicht

…und natürlich vor allen Dingen dem größten Geschenk: der zweiten Schwangerschaft mit dem #Cappelletti2021! Damit ging ein Traum von uns in Erfüllung, denn wir wollten Ben unbedingt ein Geschwisterkind schenken und den Altersabstand nicht allzu groß werden lassen. Die Schwangerschaft hat mich 2/3 des Jahres begleitet, sodass 2020 für mich alleine deshalb auch positiv in Erinnerung bleiben wird. Zum Glück ist bisher alles ohne Komplikationen und ernsthaften Sorgen verlaufen, sodass 2021 für uns auf jeden Fall mit einem Abenteuer beginnt und den Grundstein für das restliche Jahr setzt!

Foto: Lisa Hantke

Review 2020 – fürs Frau Hölle Studio

Für meine Business Review ziehe ich unterschiedliche Werkzeuge und Methoden heran, die mir bei einem vollständigen Jahresrückblick helfen und mich leiten. Dabei folge ich aber meistens dem Prozess

Reflecting → Planning → Improving

Dieses Jahr habe ich den sogenannten “Garden Of Life” für mich entdeckt und anhand dessen alle Milestones, Projekte, Produkte und Erfahrungen gemeinsam mit Elvine reflektiert. Im Prinzip geht es darum, die “Hits & Shits” des Jahres zu identifizieren und schriftlich festzuhalten, um darauf basierend die Schritte und Maßnahmen für das folgende Jahr abzuleiten. Hier ein unvollständiger Einblick in unseren “Garten 2020”:

Blumen

= was haben wir geliebt?

  • #gemeinsameinsam Livestreams
  • Livestream Kalender
  • VIP Club Newsletter
  • #24daysofwatercolor
  • Seasons Collection
  • Frau Hölle Ambassadors
  • Creative Night

Unkraut

= auf was hätten wir verzichten können?

  • diverse Produkte & Kooperationen
  • geklaute/kopierte Produkte/Texte/Fotos
  • persönliche und professionelle Enttäuschungen
  • Minijobber Fluktuation

Dünger

= wie können wir wachsen?

  • Ausbau Onlineshop
  • Entwicklung eigener Produkte
  • Zusammenarbeit mit Brand “Promotoren”
  • Dezentralisierung des Contents

Auf die Planung/Verbesserung für das neue Jahr 2021 werde ich in einem getrennten Blogbeitrag eingehen, denn auch hierfür wende ich spezielle Methodiken und Prozesse an.